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Warum das Klebkraut klebt

 

 

Das Kletten-Labkraut ist eine Pflanze, die wenig Aufsehen erregt, auch wenn sie eigentlich überall vorkommt - und mancherorts sogar in schieren Massen. Das ist dann doch recht eindrucksvoll, denn der vierkantige Stängel mit seinen quirlförmigen Blattkränzen wirkt eher zerbrechlich. Dennoch schafft es die zarte Pflanze, ganze Unkrautfluren aus Stauden, Gräsern und Gesträuch zu einem undurchdringlichen Pflanzen-Wirrwarr zu verflechten.

Galium aparine ist eine einjährige Pflanze, die jeden Frühling erneut aus Samen keimt. Mehrjährige Gewächse, die sich wie beispielsweise die Brennessel aus Wurzelstöcken erneuern, sind da schneller. Obwohl so ein Vorsprung eigentlich kaum wieder wett zu machen ist, kann das Kletten-Labkraut diesen strategischen Nachteil nicht nur kompensieren, sondern sogar zum eigenen Nutzen wenden. Um das Wachstum zu beschleunigen, wird nämlich ganz planmäßig auf die Ausbildung tragfähiger Stängel verzichtet. Die Stütze holt man sich lieber von den Nachbarn, an denen sich das Labkraut dann in großer Geschwindigkeit emporklimmt.

Um das zu bewerkstelligen, sind Stängel und Blätter mit einem Arsenal winziger, hakenförmiger Borstenhaare ausgestattet, die sich leicht im Blattwerk anderer Pflanzen verkrallen. Selbst in unserer Haut scheint sich die Pflanze verkrallen zu wollen, ohne aber zu verletzen, was sich dann rauh und widerborstig anfühlt. Gerne bleiben Pflanzenteile daher auch an Textilien oder dem Fell unserer vierbeinigen Begleiter hängen – weswegen sich bei uns der Zweitname Klebkraut eingebürgert hat. Auch die amerikanische Bezeichnung sticky willy deutet in die gleiche Richtung.


So bahnt sich das Kletten-Labkraut mit Hilfe der Klimmhäkchen unaufhaltsam seinen Weg nach oben. Wird schließlich die Spitze der Stützpflanze erreicht, ist immer noch nicht Schluss. Dann lehnen sich die aufstrebenden Pflanzen aneinander und gleichen so gemeinsam das Fehlen einer eigenen stabilen Sprossachse aus. Und wenn Wind oder Regen doch noch die eine oder andere Pflanze knicken sollte, richten sich die Enden innerhalb von wenigen Stunden wieder auf und suchen erneut den Weg zum Licht.
Die Blüten sitzen, mit dem blossen Auge kaum erkennbar, in den Blattachseln. Nur knapp 2 Millimeter messen sie im Durchmesser. Vier Staubblätter umgeben die beiden Fruchtknoten, aus denen nach der Befruchtung auch zwei, jeweils mit einem Samen versehene Früchte hervorgehen. Auch diese sind über und über mit kleinen Häkchen besetzt. So verankern sie sich fest im Fell vorbeistreifender Tiere und gelangen mit etwas Glück an einen geeigneten Ort, an dem im folgenden Jahr der Zyklus von vorne beginnt. Ganz schön clever, dieses Klebkraut.