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Winterblüten

 

Ihren etwas anrüchigen Namen verdankt die Stinkende Nieswurz ihren für menschliche Nasen unangenehm "duftenden" Blüten. Ihre starke Giftigkeit, die bei Verzehr zu Tod durch Atemlähmung führen kann, lässt diesen Vertreter der Hahnenfußgewächse auch nicht gerade sympathisch erscheinen. Allerdings, warum sollte man die Pflanze essen? Auch muss man ja nicht unbedingt seine Nase in ihre zartgrünen Blüten stecken.

Eigentlich sind die Hüllblätter gar keine richtigen Blütenblätter, sondern Kelchblätter. Daher sind sie auch grün. Die Blütenblätter sind zu Nektarblättern umgewandelt. Überhaupt handelt es sich bei Helleborus foetidus um ein interessantes Mitglied unserer heimischen Flora. Die Blüten bilden sich nämlich bereits im Herbst und öffnen sich oft schon im Winter. Dann kann es passieren, dass diese frostharte Pflanze unter einer  Packung Neuschnee verschwindet und nur die Blütenköpfe aus der weißen Pracht hinausragen.

Eine solche Lebensweise erfordert eine ausgefallene Bestäubungsbiologie. Der für uns wenig attraktive Duft dient dem Anlocken der Härtesten unter den Blütenbesuchern, den Hummeln. Durch zitternde Kontraktionen können diese Insekten ihre Flugmuskulatur auf eine Betriebstemperatur von bis zu 30 Grad bringen. Durch einen dichten Pelz vor Wärmeverlust geschützt, werden Hummeln daher oft schon im Winter durch etwas Sonnenschein oder bei lauer Witterung aus ihren Erdbauten gelockt. In den produktiven Nektarblättern der Nieswurz finden sie dann die energiereiche Belohnung ihrer Mühen. Als Gegenleistung überschütten die hängenden Blüten die futtersuchenden Besucher mit ihren Pollen.

Diese Art der Bestäubung ist natürlich sehr witterungsabhängig und klappt daher nicht immer. Da hilft es, die Blüten wochenlang offen zu halten. Zusätzlich ist diese wintergrüne Pflanze mehrjährig, so dass es auf eine regelmäßige Samenbildung nicht unbedingt ankommt. Die Frucht wird übrigens von Ameisen verbreitet (Myrmekochorie); ein nahrhaftes Anhängsel verführt die Arbeiterinnen die Samen in ihren Bau einzutragen, wo sie dann auskeimen.

 

Die Stinkende Nieswurz kommt im Südwesten Deutschlands von der Mosel bis an den Bodensee vor. Sie benötigt kalkhaltigen Boden und bevorzugt  lichte Wälder, gerne auf steinigen Abhängen. Die ansonsten seltene Pflanze kommt an manchen Stellen der Schwäbischen Alb massenhaft vor, so im Kleinen Lautertal bei Ulm, wo diese Aufnahme entstand.