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Herbst - Feuerwerk der Farben

 

Der Herbst hat viele Gesichter: Hochdrucklagen mit Nachtfrost, Frühnebel und Raureif, mittags sommerliche Temperaturen, vielleicht schon tags darauf ein Sturmtief mit prasselndem Regen, vorzeitiger Schneefall oder tagelanges, konturenloses Schmuddelwetter. Wenn es ihn denn überhaupt gibt, den Herbst als homogene Jahreszeit, dann vereinigt die bunte Pracht der Blätter unserer sommergrünen Laubgehölze diese Periode des Übergangs vom Sommer zum Winter. Gelb, Rot und Orange, das sind die Farben unserer herbstlichen Wälder.

Es beginnt meist mit den ersten gelben Birkenblättern irgendwann im September und endet manchmal erst Ende November, wenn ruppige Winde die letzten braunen Blätter der Eichen und Buchen zu Boden fegen. Warum verlieren Laubbäume überhaupt ihre Blätter? Und warum die meisten Nadelgehölze nicht? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn es gibt eine ganze Reihe Ausnahmen von dieser Regel. So behalten Mistel, Stechpalme oder Efeu auch im Winter ihre Blätter. Dagegen verliert die Lärche, ein Nadelbaum, im Herbst ihre sich zitronengelb verfärbenden Nadeln.

Während sich das Buchenlaub verfärbt und abfällt, behält der Efeu seine grünen Blätter

 

Aber vielleicht sind es gerade diese Ausnahmen von der Regel, die uns den Sinn des herbstlichen Blattabwurfs am besten vor Augen führen können. Mistel und Stechpalme sind Vertreter der im Mittelmeerraum häufigen wintergrünen Laubgehölze. Sie sind daher auch nur in den milden Regionen Zentraleuropa verbreitet, so in Nordwestdeutschland oder im Rheintal. Dort wo lang anhaltende und starke Fröste eher selten sind, ist nämlich die Gefahr zellzerstörender Eisbildung in den Blättern gering, ebenso wie die Frosttrocknis, die immer dann droht, wenn an sonnigen Wintertagen Flüssigkeit über die Blattoberflächen verdunstet, der gefrorene Boden aber eine Wasseraufnahme durch die Wurzeln und das Gefäßsystem nicht zulässt. Mit ihren ledrigen, durch eine Wachsschicht geschützten Blätter sind die wintergrünen Laubbäume recht gut gegen Verdunstung geschützt.

Ein alltäglicher Anblick: Nadelbäume behalten im Winter ihre "Blätter", Laubbäume werfen sie ab.

 

Dies trifft in noch stärkerem Maße für unsere Nadelbäume – ob Fichte, Tanne oder Kiefer – zu, deren derben, ebenfalls mit Wachs überzogenen Nadeln nur eine geringe Oberfläche aufweisen. Sie vertragen daher selbst lang anhaltende Starkfröste. Wie sehr der Laubfall tatsächlich von der Wasserversorgung abhängt, zeigen viele mediterrane Bäume, die im heißen und trockenen Sommer ihrer Heimat ihre Blätter abwerfen und lieber im feuchteren, milden Klima des Winters ihr Laub zur Schau stellen.

Die Lärche ist mit ihrem herbstlichen Laubabwurf eine Ausnahme unter den Nadelbäumen. Aber sie hat als Nadelbaum mit der am weitesten nach Norden reichenden Verbreitung auch den klirrend kalten Wintertemperaturen Sibiriens zu trotzen. Die Evolution scheint für diesen Extremfall den Abwurf der Nadeln im Winter zu bevorzugen. Im Gegenzug fehlen den zarten Lärchennadeln die dicken Schutzschichten ihrer Verwandten – Ökonomie ist eben ein wichtiger Motor der Anpassung. Auch die überwiegende Mehrzahl unserer heimischen Laubgehölze haben Blätter mit großen Blattspreiten mit geringem Verdunstungsschutz. Wie die Lärche verfolgen diese daher eine Laubfallstrategie.

Die Nadeln der Lärche verfärben sich zitronengelb, bevor sie im Herbst abgeworfen werden.

 

Für den Beginn der Herbstfärbung spielt die Temperatur nur eine untergeordnete Rolle. Es sind die kürzer werdenden Tage, welche als Signal für die Herbstverfärbung dienen. Im Norden Europas synchronisiert das Ende der langen Mittsommertage die Laubverfärbung auf einen Zeitraum von nur wenigen Tagen, was den Herbst in Lappland zu einem geradezu spektakulären Erignis macht.

Die kürzer werdenden Tage geben das Signal für die Ausbildung eines Trenngewebes am Grunde des Blattstieles. Dies ist sozusagen die Sollbruchstelle. Bevor sich allerdings das Blatt vom Zweig löst, werden noch Nährstoffe aus den absterbenden Organen geborgen. Sie dienen als Vorrat für die Entwicklung des neuen Laubes, solange, bis die jungen Blätter selbst ihre Funktion als Photosynthese-Organ aufnehmen können. Zu den Reservestoffen, die in Stamm und Wurzeln deponiert werden, zählen die Abbauprodukte des Chlorophylls. Pflanzen verwenden für die Photosynthese neben diesem grünen Blattfarbstoff aber noch weitere Pigmente, so wie die roten Carotinoide, die blauen Anthocyane und die gelben Xanthophylle. Im Sommer werden diese Farbstoffe vom intensiven Grün des Chlorophylls überlagert. Im Herbst bauen viele Pflanzen den grünen Blattfarbstoff ab und verlagern ihn in die Speicherzellen im Stamm oder in den Wurzeln. Die anderen Pigmente werden oft gar nicht oder aber später als das Chlorophyll abgebaut. So werden sie plötzlich sichtbar. Die Blätter färben sich gelb, orange oder rot, je nach Zusammensetzung der verbliebenen Farbstoffe. Es gibt allerdings auch Bäume, die ihre Blätter grün abwerfen, so die Esche oder die Erlen. Nach dem Laubfall fahren die Bäume ihren Stoffwechsel herunter, bis länger werdende Tage im Frühling den Zyklus des Laubes von neuem beginnen lassen.

 

Während die Silberweide ihre Blätter grün abwirft, ....

.... zeigt dieser Ausschnitt aus dem Blatt der Felsenbirne ...

... oder das Laub der Jungfernrebe die ganze Farbenpracht des Herbstes.

Am Ende bildet das Herbstlaub die Grundlage der Nahrungskette des Waldes.