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Mittelspecht und Halsbandschnäpper

Charaktervögel naturnaher Auwälder 

 

Neu: Video über Halsbandschnäpper

 

Außer dem Weißrücken- und dem Dreizehenspecht, die Bewohner natürlicher Nadelwälder des Gebirges sind, kommen alle anderen heimischen Spechte in unseren Auwäldern vor. Wendehals, Buntspecht, Grünspecht und Schwarzspecht besiedeln zwar auch andere Waldbiotope, aber für Grauspecht, Kleinspecht und ganz besonders für den Mittelspecht bilden totholzreiche Auwälder den Schwerpunkt ihrer heutigen Verbreitung.  Es ist nicht so, dass diese drei Spechtarten andere Waldtypen meiden würden. Ganz im Gegenteil, man findet sie eigentlich in allen reich strukturierten Laubmischwälder mit einem hohen Anteil alter Bäume, denn hier gibt es absterbendes und totes Holz in Hülle und Fülle. Sei es im stehenden Totholz der Baumkronen und Stämme oder im liegenden Tot- oder Moderholz: Hier finden Spechte ausreichend Nahrung in Form von Tausendfüßern, Spinnen und Insekten samt ihren Larven – und das auch in den mageren Wintermonaten. Naturnahe Laubwälder: Wo findet man die heute noch in Mitteleuropa? Tatsächlich werden die Bäume in unseren forstwirtschaftlich genutzten Wäldern selten alt und zwei Drittel der Holzproduktion eines Waldes wird bereits lange vor der Alterungsphase der Bäume „geerntet“.  Die Forstwirtschaft unterbricht den natürlichen Lebenszyklus der Bäume. Daher fehlt es in unseren Wäldern an Totholz und damit an holzverwertenden Organismen und deren Konsumenten, den Spechten (Vergleiche: Biomasse, Forstwirtschaft und das Ökosystem Wald).

 

Auch in den ehemaligen Auwäldern, wenn sie nicht ohnehin durch Siedlungen, Industrieanlagen oder Landwirtschaft vernichtet wurden, führt die Forstwirtschaft das Regiment. Allerdings blieben entlang der Flusstäler an einigen Stellen noch recht naturnahe Wälder erhalten, die heute seltenen Tierarten als Refugium dienen. Spechte sind daher Bioindikatoren. Nur in ausgedehnten, baumartenreichen Wäldern mit viel stehendem und liegendem Totholz in unterschiedlichen Zersetzungsstadien kommen alle einheimischen Spechtarten nebeneinander vor.  So wie der Mittelspecht, der mehr als alle anderen Arten Morschholz in einem fortgeschrittenen Verrottungsstadium für seine Nahrungssuche benötigt.

In den noch verbliebenen Auwäldern mit hohem Totholzanteil ist die Chance, einem Mittelspecht zu begegnen, recht hoch, zumal er sich als Standvogel das gesamte Jahr hier aufhält. Allerdings muss man schon genau hinschauen, ist er doch leicht mit dem viel häufigeren Buntspecht zu verwechseln. Weibliche Buntspechte haben eine schwarze Kopfplatte, Männchen schmückt ein zusätzlicher roter Nackenfleck  während der Mittelspecht – beide Geschlechter sind gleich gefärbt - eine rein rote Kopfplatte aufweist. Eine Verwechslungsgefahr besteht aber besonders mit jungen Buntspechten, die ebenfalls eine rote, aber schwarz abgesetzte Kopfplatte tragen.

 

 
Links, das ist ein Mittelspecht an seiner Bruthöhle. Charakteristisch ist die rote Kopfplatte und die weitgehend fehlende schwarze Zeichnung an den Kopfseiten. Zum Vergleich: Das Buntspechtmännchen (rechts) hat lediglich einen roten Scheitelfleck. Auch sind die Kopfseiten deutlicher schwarz abgesetzt.

 

 

 

Spechte besetzen als Produzenten für Unterkünfte höhlenbrütender Vögel eine Schlüsselposition im Ökosystem Wald. Auf diese ist ein weiterer Charaktervogel der Hartholzauwälder angewiesen, der Halsbandschnäpper. Dieser kaum sperlingsgroße Vogel hält sich bevorzugt im Kronenbereich alter Eichen auf, wo er sich ausschließlich von Insekten ernährt. Dem unerfahrenen Waldbesucher entgehen diese unauffälligen Vögel meist. Kennt man aber ihren Gesang, dann wird man in allen alten Auwäldern entlang der Donau fündig. Interessanterweise hat der Halsbandschnäpper ein Sekundärbiotop in alten Streuobstwiesen gefunden. Da diese aber das Schicksal strukturreicher Auwälder teilen und immer mehr aus unserer Landschaft verschwinden, ist mit einer weiteren Abnahme der Brutpopulationen zu rechnen. Wie viele andere Höhlenbrüter, nimmt der Halsbandschnäpper gerne künstliche Nisthilfen an. Nicht zuletzt durch das Anbringen von Nistkästen konnten in den Auwäldern der Donau viele Brutpaare dieser als gefährdet eingestuften Vogelart erhalten bleiben werden.

 

Halsbandschnäpper - links das Männchen, rechts das Weibchen - nehmen gerne künstliche Bruthöhlen an. Allerdings sollte man die Fluglöcher der Nisthilfen bis Ende April verschließen. Als Langstreckenzieher und Spätrückkehrer aus seinen südlichen Überwinterungsgebieten findet dieser zierliche Waldvogel sein Quartier sonst regelmäßig bereits von den aggressiveren Kohlmeisen besetzt vor.